Erste Hilfe

Erste Hilfe

Sanitäts­haus in der Nähe

Kategorien

Mit Kompression auf dem Jakobsweg – Part 4

Leben, Laufen, Lachen mit Lipödem – mit Kompression über den Jakobsweg

 

17. September 2023 Castillo do Neiva – Carreco

 

Jakobsweg Tag 3

Die Nacht war wie erwartet unruhig. 20 Menschen in einem Schlafsaal sind mir eindeutig zu viel. Die Geräusche (und Gerüche) so vieler fremder Menschen auf so engem Raum sind mir einfach zu viel. Ich beschließe, dass ich bei der Wahl der Unterkünfte etwas mehr Wert auf meinen Schlaf lege. Zum Glück bin ich in der privilegierten Situation, dass ich nicht auf die günstigsten Herbergen angewiesen bin. Und das weiß ich nach dieser Nacht noch ein bisschen mehr zu schätzen.

 

Der Morgen startet auch sonst holprig. Im kleinen Damenbad ist es voll und so zwänge ich mich wieder halb liegend und halb sitzend im Bett in meine Kompressionsstrumpfhose. Kaffee gibt es hier keinen. Und es regnet. Rieke und ich ziehen unsere Regensachen über und machen uns schon um kurz nach 7.00 Uhr auf den Weg Richtung Carreço. Der angesagte Regen fällt heute tatsächlich in Strömen. Meine nicht ganz günstige dünne Regenjacke aus dem Segelbedarf hält leider nicht, was sie verspricht. Schon nach wenigen Minuten merke ich, dass ich auch unter der Jacke unangenehm nass werde.

 Im Vorfeld der Reise habe ich mir tatsächlich viele Gedanken zur Regenbekleidung gemacht. Es gibt verschiedene Varianten, die sich zum Pilgern eignen. Mitte/Ende September ist eigentlich noch recht stabiles Wetter zu erwarten, sodass ich auf Regenhose und Gamaschen verzichtet habe. Viele Pilger schwören auf einen Regenponcho, der zeitgleich auch den Rucksack vor Regen schützt. Ich bin allerdings kein großer Poncho-Fan, weil ich mir darin zu unbeweglich vorkomme und dieser auch recht windanfällig ist.

Ich habe mich so für einen dünnen Regenmantel entschieden. Dieser ist sehr leicht und bedeckt auch einen großen Teil meiner Oberschenkel, sodass auch bei anhaltendem Regen meine Beine nicht komplett nass werden. So war zumindest der Plan, der Dank der nicht vorhandenen Wasserdichtigkeit der Jacke leider nicht aufging. Vorher ausprobieren hätte wahrscheinlich geholfen… Meinen Rucksack habe ich mit einer Regenhülle geschützt. Da zwischen Rucksack und Rücken Wasser den Rücken entlang laufen kann, und so der Rucksackinhalt trotz Regenschutzes nass werden kann, habe ich meine Kleidung in wasserdichte Packsäcke sortiert. Ein System mit Beuteln für ein Ordnungssystem im Rucksack ist sowieso empfehlenswert. Zumindest das hat funktioniert und ich hatte trockene Wechselkleidung im Rucksack.

Gerade fange ich an zu zweifeln, ob uns das Glück der guten Erfahrungen verlassen hat, da führt uns der Camino wieder hinein in ein Waldstück. Der Weg ist teils felsig und teils matschig, sodass wir jeden Schritt wohlüberlegt setzen um nicht auszurutschen. Auch jetzt bin ich wieder dankbar, dass ich meine Wanderstöcke an meiner Seite habe. Wir tauchen wieder in diese märchenhafte Wald-Welt ein und wir betrachten staunend die Natur um uns herum. Es wachsen Farne in den unterschiedlichsten Grüntönen, das Heidekraut blüht lila und weiß und es duftet nach warm-feuchtem Waldboden. Kurz bleiben wir staunend neben einer handtellergroßen Nacktschnecke stehen. Ich bin zwar kein besonderer Freund dieser glibbrigen Spezies, aber die Größe dieses Exemplars ist doch beeindruckend.

Denise im Wald mit pinken Kompression

Nach etwa 45 Minuten lichtet sich der Wald und uns begegnet eines dieser Camino-Wunder. Mitten im Nichts hat ein netter, älterer Portugiese unter zwei Schirmen und abgedeckt mit Planen mein persönliches Pilgerparadies geschaffen. Es gibt Kaffee, Tee, Kaltgetränke, frischen Kuchen, Obst, Süßigkeiten und natürlich die leckeren Pasteis de Nata. Völlig durchnässt, Kaffee-durstig und mit den ersten 4 Kilometern in den Beinen ist diese kleine Oase grade das Beste, was mir passieren kann. Wir setzen uns ins Trockene, trinken einen Kaffee und genießen ein kleines Frühstück. Schließlich stempeln wir unseren Pilgerpass und hinterlassen eine Spende und machen uns wieder auf den Weg. Frisch gestärkt wandert es sich doch gleich doppelt so gut.

Rieke und ich hängen heute beide unseren Gedanken nach. Wir haben bereits im Vorfeld besprochen, dass es völlig ok ist, wenn wir getrennt voneinander laufen. Wie vermutet, ist Rieke auch deutlich schneller unterwegs als ich Pilgerschnecke. Schon nach kurzer Zeit kann ich sie nicht mehr vor mir ausmachen. So stapfe ich alleine durch den Regen. Mittlerweile bin ich komplett durchnässt.

 

Sangria
Zu allem Überfluss führt der Weg lange gradeaus und stetig bergauf. Mein linker Fuß schmerzt auch wieder. Ich muss mit mir kämpfen. Jeder Schritt kostet mich Überwindung. Warum mache ich das eigentlich? Wer hat eigentlich gesagt, dass man auch bei Regen pilgern muss?

 

Heute komme ich an meine mentalen Grenzen. Ich versuche mich auf das hier und jetzt zu konzentrieren und einfach einen Schritt nach dem nächsten zu machen. Der nächste größere Ort ist Viano do Castello. Dort gibt es sicherlich was warmes zu trinken und ein trockenes Plätzchen. Rieke schreibt mir bald darauf, dass sie ein schönes Café entdeckt hat. Dort wird sie auf mich warten. Mit diesem Wissen kann ich auch wieder ein wenig motivierter laufen. Auf den letzten Metern in die Stadt lassen sich unfassbar viele Schnecken blicken. Es ist ein wenig so, als wolle mir der Weg sagen: „Siehst du. Auch als Schnecke kommst du ans Ziel.“

Das letzte Stück vor Viano do Castello hat es aber wieder mal in sich. Es gilt eine lange grüne Eisenbrücke zu überqueren. Der Fußweg ist schmal und durch den Regen rutschig. Die Brücke sieht wenig vertrauenserweckend aus. Die Konstruktion weist rostige Stellen und teils kleine Löcher auf. Auf der Fahrbahn haben sich große Pfützen gebildet. Der Verkehr kommt mir entgegen. Ein steter Strom von Fahrzeugen, der nur selten eine Lücke aufweist. Mehrmals rutschen mir meine Pilgerstöcke auf dem glatten Untergrund weg. 
Bisher sind glücklicherweise meine Füße in den Wanderschuhen trocken geblieben. Ich sehe aber immer wieder, wie Autos durch die Pfützen fahren und das Wasser auf den Wegsteig spritzt. Ich fürchte ein wenig diese ungewollte Dusche und so warte ich immer wieder eine kleine Lücke zwischen den Autos ab und sprinte an besonders nassen Stellen vorbei. Irgendwann bemerkt ein Busfahrer mein Dilemma und bremst seinen Bus ab. Er lässt mich passieren und fährt in Schrittgeschwindigkeit weiter. Er bremst die gesamte Kolonne hinter sich aus, sodass ich trockenen Fußes die Brücke passieren kann. Ich bin dankbar über so viel Weitsicht und freue mich wieder einmal über diese gute Begegnung.

 

Rieke wartet in einem kleinen Café nahe der Promenade auf mich. Ich freue mich, die nasse Jacke ausziehen zu können und hänge sie über einen Stuhl. Neben meinem Rucksack und unter der Jacke bilden sich kleine Pfützen auf dem Steinboden. Wir sitzen nahe der geöffneten Eingangstür und hören den Regen draußen stetig weiter prasseln. Wir bestellen ein leckeres Mittagessen bei der sympathischen Kellnerin und beschließen, dass Sangria das passende Getränk für unsere Gemütsverfassung ist.
Eine gute Stunde später regnet es immer noch in Strömen und wir erklären unseren heutigen Wandertag nach 13 Kilometern für beendet. Für die restlichen 8 Kilometer bis zu unserem Etappenziel im Carreço bestellen wir uns ein Uber. Die Bestellung über die App klappt problemlos und ein netter Brasilianer holt uns ab. Die Verständigung bestreiten wir mit Händen und Füßen und den paar Brocken Portugiesisch, die ich vor unserer Reise mit Hilfe von Babbel gelernt habe. Der nette Fahrer hat Wasser und Kekse für uns dabei. Ich bin immer wieder überrascht über so viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Portugiesen.

In unserer Herberge angekommen können wir zum Glück direkt einchecken. Heute haben wir ein Hostel erwischt, das mehrere abgetrennte Schlafkabinen in einem großen Schlafsaal hat. Rieke und ich teilen uns ein Doppelbett in einer der oberen Schlafhöhlen und machen es uns gemütlich. Die Herberge verfügt über eine Waschmaschine und einen Trockner und so wird unsere Wäsche heute einmal mit der Maschine gewaschen. Durch das schlechte Wetter gibt es allerdings schon eine lange Warteschlange am Trockner. Durch die ständigen Stromausfälle im Hostel wird die Wartezeit leider auch nicht weniger. Zum Glück schaffen wir es noch unsere Wäsche kurz vor dem Schlafengehen in den Trockner zu bekommen.

Zum Abendessen gibt es leider nicht viel Auswahl. Im Ort hat ein einziges Restaurant geöffnet. Einen Supermarkt gibt es nicht. Als wir im Restaurant ankommen wird dort grade noch feucht durchgewischt. Es stinkt entsetzlich nach Chlor. Wir setzen uns an einen der Tische. Um uns herum wird einfach weiter geputzt. Aber immerhin wird geputzt – machen wir uns Mut in dem etwas trostlosen Ambiente. Für 20 Euro gibt es heute wieder ein Pilgermenü. 3 Gänge inklusive Getränke. Wir entscheiden uns beide für Fisch und sind tatsächlich angenehm überrascht von dem doch leckeren Abendessen.

Zurück im Hostel treffen wir wieder auf Sarah, die zufällig in derselben Unterkunft gestrandet ist. Außerdem lernen wir zwei etwas verrückte Tschechen kennen, denen wir auch immer wieder begegnen sollen. Wir trinken noch ein Bier und quatschen etwas, bis wir uns in unsere Kuschelhöhle zurückziehen.

Wandertag 3 – geschafft

Vielen Dank liebe Denise für den ersten Einblick in deine Reise! Wir sind schon sehr gespannt auf Tag 5.

Wenn auch du eine Geschichte mit deiner Kompression hast, dann sende sie uns gerne zu: kontakt@mykompriguide.de

Foto von Denise und ihrer Bonustochter vor der Reise

Wir freuen uns auf deinen Kommentar

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Auch interessant…

Schmerzmanagement

Schmerzmanagement

Und wir möchten ganz dringend herausfinden: Wie empfindest du deinen Schmerz und wie sehr beeinflusst er dich in deinem alltäglichen Dasein.

mehr lesen
So geht das mit den Vorsätzen richtig

So geht das mit den Vorsätzen richtig

Vorsätze sind gut, sich neue Ziele zu setzen ist wunderbar. Doch viel zu häufig fehlt die richtige Herangehensweise.
Ich möchte euch einen Weg zeigen, wie ihr langsam und kontrollieren an euer persönliches Ziel kommt.

mehr lesen
Mit Kompression auf dem Jakobsweg – Part 2

Mit Kompression auf dem Jakobsweg – Part 2

Leben, Laufen, Lachen mit Lipödem - mit Kompression über den Jakobsweg  15.September 2023 Porto – Póvoa de Varzim – Fão  Jakobsweg Tag 1 Früh klingelt der Wecker, und nach einer erholsamen Nacht im fremden Bett packen Rieke und ich aufgeregt unseren Rucksack für...

mehr lesen
Sport mit Kompression

Sport mit Kompression

Und wie funktioniert das Ganze? Nun, wie wir bereits thematisiert haben, ist eine professionelle und engmaschige Betreuung das A und O. Was ich hierzu empfehle, ist ganz klar, Sport mit Kompression zu verbinden. Die positiven Auswirkungen sind enorm.

mehr lesen
Die Belastungstoleranzgrenze

Die Belastungstoleranzgrenze

Jeder hat sie – nur die wenigstens wissen davon – noch weniger wissen sie korrekt zu interpretieren:  Die Belastungsgrenze oder auch Belastungstoleranzgrenze:     Jeder Mensch ist individuell und daher haben wir alle eine unterschiedliche...

mehr lesen
Mit Kompression auf dem Jakobsweg

Mit Kompression auf dem Jakobsweg

 Trotz schwerer Beine, trotz Druckschmerz, trotz intoleranter Sprüche - mit Kompression ist alles machbar! Denise R. stellt das definitiv unter Beweis. Zusammen mit ihrer Bonustochter macht sie sich auf den Weg nach Portugal, um eine Reise anzutreten, die selbst für...

mehr lesen
Schmerzmanagement

Schmerzmanagement

Und wir möchten ganz dringend herausfinden: Wie empfindest du deinen Schmerz und wie sehr beeinflusst er dich in deinem alltäglichen Dasein.

mehr lesen
So geht das mit den Vorsätzen richtig

So geht das mit den Vorsätzen richtig

Vorsätze sind gut, sich neue Ziele zu setzen ist wunderbar. Doch viel zu häufig fehlt die richtige Herangehensweise.
Ich möchte euch einen Weg zeigen, wie ihr langsam und kontrollieren an euer persönliches Ziel kommt.

mehr lesen
Mit Kompression auf dem Jakobsweg – Part 2

Mit Kompression auf dem Jakobsweg – Part 2

Leben, Laufen, Lachen mit Lipödem - mit Kompression über den Jakobsweg  15.September 2023 Porto – Póvoa de Varzim – Fão  Jakobsweg Tag 1 Früh klingelt der Wecker, und nach einer erholsamen Nacht im fremden Bett packen Rieke und ich aufgeregt unseren Rucksack für...

mehr lesen
Sport mit Kompression

Sport mit Kompression

Und wie funktioniert das Ganze? Nun, wie wir bereits thematisiert haben, ist eine professionelle und engmaschige Betreuung das A und O. Was ich hierzu empfehle, ist ganz klar, Sport mit Kompression zu verbinden. Die positiven Auswirkungen sind enorm.

mehr lesen
Die Belastungstoleranzgrenze

Die Belastungstoleranzgrenze

Jeder hat sie – nur die wenigstens wissen davon – noch weniger wissen sie korrekt zu interpretieren:  Die Belastungsgrenze oder auch Belastungstoleranzgrenze:     Jeder Mensch ist individuell und daher haben wir alle eine unterschiedliche...

mehr lesen
Mit Kompression auf dem Jakobsweg

Mit Kompression auf dem Jakobsweg

 Trotz schwerer Beine, trotz Druckschmerz, trotz intoleranter Sprüche - mit Kompression ist alles machbar! Denise R. stellt das definitiv unter Beweis. Zusammen mit ihrer Bonustochter macht sie sich auf den Weg nach Portugal, um eine Reise anzutreten, die selbst für...

mehr lesen

Werde Teil der myKompriGUIDE-Community

Mit 5 Sanitätshäusern an etwa 40 Standorten in Deutschland und mehr als 35 motivierten Expertinnen haben wir viel zu bieten. Folge uns um auf dem neusten Stand zu bleiben!

Instagram

Newsletter

Bleib mit dem myKompriGUIDE-Newsletter auf dem Laufenden: Veranstaltung, Tipps und Infos rund um das Thema Lip- und Lymphödem.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von HubSpot. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen