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Warum die Liposuktion nicht für jede Betroffene geeignet ist – im Interview mit Dr. Yazdandust

Liposuktion beim Lipödem: Chefarzt Dr. Yazdandust im Interview über Diagnostik, Behandlung und neue Kassenregelungen

Dr, Yazdandust
Dr. Yazdandust, Chefarzt der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie, St. Vincentius Krankenhaus, Speyer

mKG: Vielen Dank, Herr Dr. Yazdandust, dass Sie sich Zeit nehmen für uns. Sie sind ja Chefarzt, eigentlich im Bereich der Handchirurgie. Wie kamen Sie denn zur Liposuktion?

Dr. Y: Ich bin von der Ausbildung her Chefarzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Handchirurgie ist eine Zusatzqualifikation. Als plastisch-ästhetischer Chirurg liegt mir natürlich auch die Liposuktion schon seit vielen Jahren, seit Beginn meiner Ausbildung, am Herzen. Ich habe schon in den ersten Ausbildungskliniken sehr viel mit Liposuktion zu tun gehabt. Mit der wachsenden Bedeutung der Liposuktion in der Lipödem-Therapie lag es nahe, diese Behandlung auch in unser Portfolio zu integrieren. Wir haben uns seitdem mit sehr viel Herzblut mit dem Thema beschäftigt.

mKG: Sehr schön, vielen Dank. Wir haben Ihnen ja gerade schon mal einen kurzen Einblick gegeben zu myKompriGUIDE. War Ihnen myKompriGUIDE ein Begriff? Sagt Ihnen die Marke etwas?

Dr. Y: myKompriGUIDE macht sehr schöne Vorträge und Veranstaltungen, vor allem auch in Richtung Lipödem und Adipositas. Das ist natürlich sehr wichtig, um das Thema Lipödem noch breiter in der Bevölkerung bekannt zu machen. Erst mit der Übernahme der Kosten von den Krankenkassen für Stadium 3 wurde das überhaupt in den Krankenhäusern stärker etabliert und hat dort mehr Fuß gefasst.

mKG: myKompriGUIDE ist ja ein Zusammenschluss aus fast 40 Sanitätshäusern, die sich mit der Versorgung von Lipödem-Patientinnen mit Kompression beschäftigen. Wie sehen Sie denn als Chefarzt die Zusammenarbeit zwischen Sanitätshäusern und Ärzten, wenn es um die ganzheitliche Versorgung von Lipödem-Patientinnen geht?

Dr. Y: Bei der Behandlung des Lipödems sind wir als plastische Chirurgen zunächst nicht eingebunden, sondern zunächst findet die konservative Therapie statt. Der erste große Schritt für die Patientin ist, die richtige Diagnose gestellt zu bekommen. Wenn das geschehen ist, dann ist zunächst die konservative Therapie wichtig, mit entsprechender Lymphdrainage und mit maßgeschneiderter, richtiger Kompressionstherapie. Und da ist es ganz wichtig, dass die entsprechenden Sanitätshäuser eingebunden sind, dass die Patientinnen wissen, wo sie sich hinwenden können, und dort auch qualifiziertes Personal vorfinden, um die richtige Kompression verordnet zu bekommen. Wir als plastische Chirurgen kommen ins Spiel, wenn diese Therapie nicht erfolgsversprechend war, und können dann unsererseits die Liposuktion durchführen. Das ist am Ende der bereits durchgeführten konservativen Therapie.

mKG: Weil Sie es gerade schon angesprochen haben, in welchem Stadium der Entscheidungsfindung kommen die Frauen denn zu Ihnen? Haben die meisten Ihrer Patientinnen eher einen langen Leidensweg hinter sich, oder kommen die meisten direkt nach der Diagnose zu Ihnen?

Dr. Y: Das hat sich zum Glück im Laufe der letzten Jahre geändert. Die Frauen kommen früher und bekommen auch früher die Diagnose gestellt. Letztlich auch dadurch, dass durch die Kostenübernahme der Krankenkassen das Krankheitsbild präsenter wurde. Mittlerweile scheinen die Neuerungen bei den Krankenkassen dahin zu gehen, dass sogar die Stadien 1 und 2 übernommen werden. Die Patientinnen kommen zum Teil auch zu uns, noch bevor die Diagnose gestellt wurde, einfach um sich vorzustellen, zu berichten und sich zu informieren, was es für Möglichkeiten gibt. Wir zeigen ihnen dann den Weg auf, der nötig ist, damit die Krankenkassen die Kosten für eine Liposuktion übernehmen, und wo sie sich am besten hinwenden können, um zunächst konservativ die Behandlung zu beginnen. Oft lassen sich über diesen Weg bereits die Schmerzen und Beschwerden mindern.

mKG: Was ist denn das richtige Vorgehen, wenn ich mich für eine Liposuktion interessiere? Sie sagten ja gerade, Sie zeigen den Patientinnen den Weg auf. Wie sieht dieser Weg aus?

Dr. Y: Nach der neuen Regelung wären auch Stadium 1 und 2, also alle Stadien, von den Krankenkassen bezüglich der Liposuktion und der Kostenübernahme abgedeckt. Dazu bedarf es aber einiger Kriterien. Unter anderem muss natürlich zuerst die Diagnose gestellt werden. Das machen nicht wir als plastische Chirurgen, sondern es gibt vier Arztgruppen, die von den Krankenkassen benannt sind und die diese Diagnose stellen dürfen. Darüber hinaus muss mindestens ein halbes Jahr lang konservativ mit Lymphdrainage und entsprechender Kompressionstherapie behandelt worden sein. Außerdem darf man im letzten halben Jahr vor Diagnosestellung nicht an Gewicht zugenommen haben. Wenn das alles zutrifft und der BMI unter 32 liegt, kann die Liposuktion auf Krankenkassenkosten durchgeführt werden, sofern der neue Beschluss so umgesetzt wird. Wenn der BMI über 32 liegt, kann es auch bis 35 gehen. Dann muss aber zusätzlich das Verhältnis zwischen Hüftumfang und Körpergröße, der sogenannte Weight-to-Height-Ratio, gemessen werden. Wenn auch das in den Kriterien liegt, darf die Liposuktion ebenfalls auf Kosten der Krankenkasse erfolgen.

mKG: Würden Sie sagen, dass für Frauen, die diese Kriterien nicht erfüllen, also die diesen Faktoren nicht entsprechen, die konservative Therapie weiterhin der richtige Weg ist?

Dr. Y: Das muss man im Einzelfall betrachten. Zum einen ist die konservative Therapie sowieso der richtige erste Schritt, weil, wenn darunter schon die Beschwerden soweit bessern, eine Operation gar nicht notwendig ist. Auf der anderen Seite, wenn zum Beispiel ein BMI von über 35 vorliegt, kann über andere Therapieformen, wie die Adipositas-Behandlung, gearbeitet werden. Wenn das langfristig nicht möglich ist, den BMI unter 35 zu bringen, kann eine Liposuktion trotzdem durchgeführt werden. Sie würde dann aber nicht von der Krankenkasse bezahlt.

mKG: Was ist denn ein Missverständnis oder ein Irrglaube zum Thema Liposuktion, mit dem Sie gerne aufräumen würden?

Dr. Y: Man darf nicht davon ausgehen, dass man absaugt und dann ist alles gut. Gerade beim Lipödem gilt nach wie vor, dass das Lipödem als solches nicht geheilt werden kann. Man kann durch die Liposuktion das schmerzhafte Fettgewebe verringern und dadurch die Beschwerden und die Lebensqualität deutlich verbessern. Aber es ist nicht so, dass durch die Liposuktion alles wunderbar ist und die Beschwerden komplett verschwinden. Es kann sein, dass weiterhin Beschwerden bestehen oder sich das Lipödem im Laufe der Zeit erneut entwickelt.

mKG: Welche technischen Fortschritte gab es denn in der letzten Zeit in der Liposuktion? Bemerken Sie durch die neuen Regelungen der Krankenkassen bereits einen Fortschritt oder findet mehr Forschung auf dem Gebiet statt?

Dr. Y: Die Liposuktion wird in der plastischen Chirurgie schon seit vielen Jahren durchgeführt, und es gibt immer wieder technische Änderungen an den Geräten. Das eigentliche Absaugen des Fettgewebes ist aber im Grunde gleichgeblieben. Es gibt Verfahren mit Wasserstrahl, Ultraschall oder Vibration, aber die Basis ist dieselbe. Entscheidend ist, dass die Liposuktion in der sogenannten Tumeszenz-Technik durchgeführt wird. Dabei wird Flüssigkeit in das Gewebe eingebracht, damit sich das Fettgewebe leichter absaugen lässt. Eine weitere Besonderheit bei der Liposuktion beim Lipödem ist, dass nur in Längsrichtung abgesaugt wird, um die Lymphbahnen nicht zu schädigen und ein eventuell vorhandenes Lymphödem nicht zu verstärken.

mKG: Wie ist denn bei Ihnen aktuell das Verhältnis zwischen Selbstzahlern und gesetzlichen Patientinnen?

Dr. Y: Bezüglich des Lipödems sind es zum Glück vorwiegend Patientinnen, deren Behandlung über die Krankenkasse läuft. Insbesondere, da sich die Kriterien nun auch auf Stadium 1 und 2 ausweiten, wird diesen Patientinnen die Möglichkeit gegeben, sich behandeln zu lassen, ohne finanziellen Druck. Selbstzahlerinnen haben wir beim Lipödem kaum, eher bei ästhetischen Liposuktionen.

mKG: Haben Sie schon eine Veränderung bei den Anfragen bemerkt, seit es die neuen Richtlinien gibt?

Dr. Y: Ja, seit die neuen Richtlinien im Gespräch sind, kommen deutlich mehr Patientinnen im Stadium 1 und 2, die teilweise noch gar keine Diagnose haben. Wir informieren sie dann, wie die Diagnosestellung funktioniert und welche Arztgruppen dafür zuständig sind, und erklären ihnen die Möglichkeiten der konservativen Behandlung.

mKG: Was raten Sie Ihren Patientinnen nach der Liposuktion in Bezug auf die konservative Therapie?

Dr. Y: Nach der Liposuktion ist zunächst für etwa sechs Wochen eine Kompressionshose, Kompressionswäsche oder ein Kompressionsmieder zu tragen. Das ist nicht unbedingt dieselbe Kompressionswäsche, die für die Behandlung des Lipödems erforderlich ist, sondern eine leichtere Variante, wie bei einer normalen Liposuktion. Nach diesen sechs Wochen sollte aber langfristig wieder die spezielle Kompressionswäsche zur Behandlung des Lipödems getragen werden, zumal die Therapie nach einer ersten Liposuktion meist noch nicht abgeschlossen ist. Je nach Ausprägung sind zwei bis fünf Sitzungen nötig, und in den Intervallen dazwischen wird die Kompressionswäsche mit spezieller Kompressionsklasse getragen.

mKG: Wie ist es, wenn ich eine Liposuktion hatte? Habe ich dann Anspruch auf eine neue Flachstrickversorgung? Mein Umfang hat sich ja im besten Fall deutlich verändert.

Dr. Y: Wenn eine Versorgung nicht mehr passt, kann eine neue Verordnung durchgeführt werden. Das ist bei der Kompressionswäsche nicht anders als bei Schuheinlagen. Wenn sie nicht mehr adäquat sitzt und die Therapie dadurch beeinträchtigt ist, kann eine neue Versorgung nötig werden. Natürlich nicht nach ein bis zwei Wochen, aber vierteljährlich oder halbjährlich ist das durchaus möglich.

mKG: Das Rezept für diese neue Versorgung bekomme ich dann von Ihnen oder muss ich dafür wieder zum entsprechenden Facharzt?

Dr. Y: Vom Krankenhaus aus können wir zunächst keine direkte Verordnung wie im niedergelassenen Bereich ausstellen. Wir können Verordnungen im Rahmen der poststationären Therapie durchführen. Eine neue Kompressionswäsche für das Lipödem wird aber erst dann sinnvoll, wenn die Schwellungen abgeklungen und eventuell weitere Sitzungen erfolgt sind. Dann kann im niedergelassenen Bereich eine neue Verordnung ausgestellt werden.

mKG: Sie sind ja Teil unseres diesjährigen Lip und Lymph Get Together am 15. November in Heidelberg. Können Sie uns verraten, worauf sich die Teilnehmerinnen bei Ihrem Vortrag freuen können?

Dr. Y: In meinem Vortrag geht es um die Erkennung des Lipödems und die Therapie, also von der Diagnose bis zur Behandlung. Wir sprechen darüber, was ein Lipödem ist, wie man es erkennt, welche Schritte zur Diagnosestellung nötig sind und wie die Behandlung abläuft, von der Kompression und Lymphdrainage bis zur Liposuktion. Außerdem werde ich erklären, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Krankenkassen die Liposuktion künftig hoffentlich auch für Stadium 1 und 2 übernehmen können.

mKG: Vielen Dank, Herr Dr. Yazdandust.

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